Zwischen dem 21.-26. Juli 2024 fuhren Jan und ich während 6 Tagen mit dem Ebike einmal rund ums Matterhorn. Wir wollten unsere Nachbarn, die Gegend und die Geschichte besser kennen lernen.
Ein spezieller Grund war auch, dass Zermatt jahrhundertelang Handel mit dem Aostatal und besonders mit Chambave unterhielt.
Jeweils im Herbst gingen sie über den Theodulpass dort hin und verkauften hauptsächlich ihre Schafe dort. Zurück nahmen sie hauptsächlich den guten Chambaver Wein (Muscato). Wurde ein Maultier mit ca. 80-100 Liter beladen, wurde so pro Saumzug (wenn er gross war) um die 1600-2000 Liter über den Theodulpass transportiert. Der Drang nach Wein muss dazumal enorm gewesen sein. (:-
Der Staatsrat vom Wallis schrieb mehrere Abmahnungen, dass die Zermatter die Schafe im Wallis verkaufen und den Wein vom Wallis kaufen sollen. Die Zermatter ignorierten das. Diese Dokumente befinden sich im Staatsarchiv in Sitten. Ein Grund dieses Handels war sicherlich nicht nur der gute Wein, sondern dass es über den Theodulpass einfacher war zu gehen und Handel zu treiben, als durchs Mattertal nach Visp. Als der Weg, die Strasse und der Zug von Visp nach Zermatt ausgebaut wurde, wurde der Handel über den Theodulpass mit der Zeit eingestellt. Dies war um ca. 1850. Diese historische Strecke unserer Vorfahren wollten wir selber anschauen, begehen und erleben und natürlich auch ein wenig den Wein.
Zu jedem Tag schrieben wir einen Bericht und machten viele Fotos.
Wenn man mit einem "Fully Ebike" einigermaßen fahren kann und in den Bergen ein wenig gewohnt ist, kann man diese Tour ohne weiteres machen.
Die Strecke zusammengefasst: Von Trockenersteg bis Cime Biance wäre es schön, wenn man mit der Bahn fahren könnte. Schade, daß die Zermatter Bergbahnen das nicht gestatten. Nur das Teilstück vom Trockenersteg nach Cime Biance würde Sinn machen die Bahn nehmen zu dürfen. Überall sonst kann man auf offiziellen Fahrradwegen fahren. So wäre die Tour rund ums Matterhorn recht einfach und für fast jedermann machbar.
Könnte man vom Trockenersteg bis Cime Biance die Bahn nehmen, würden wir jeden Sommer ins Aostatal biken gehen. Und die Aostaler kämen sicherlich auch zu uns. Hat es gute Verhältnisse, kann man über den Theodulgletscher fahren. Sind die Verhältnisse schlecht oder man hat Pech wie wir es dieses Mal gehabt haben, ist der Gletscher ein mühsames Abenteuer, welches man nie mehr vergessen wird.
Von Cime Bianchi nach Cervinia, Valtournache, Cheneil, Chamois, St. Vincens, Châtillon, Chambave, Aosta kann man überall auf sehr schönen, einfachen offiziellen Bikewegen und Straßen fahren die autofrei sind. Also auch für Jugendliche ab 14 Jahren wäre diese Tour geeignet.
Von Aosta hinauf auf den Grosser St. Bernhardpass würden wir wieder ein Taxi nehmen. Auf der Hauptstraße ist es zu gefährlich und auf dem steilen Weg hat man ca. 5 Stunden und da würde eine Batterie knapp genügen und ca. 1/3 müßte man laufen.
Vom Gr. St. Bernhard nach Martigny würden wir nächstes Mal den Bus nehmen. Die Italiener transportieren keine Bikes, die Schweizer schon. Im Bus kann man die Natur und die Gegend beobachten und muß sich nicht auf den Verkehr konzentrieren.
Von Martigny nach Sitten und Visp gibt es wieder einen separaten, schönen Bikeweg. Er ist flach und lang, sowie die Rohneebene eben ist. Es gibt weit und breit kein breiteres und schöneres Tal als das Rhonetal. Das Aostatal ist auch schön, aber das Rohnetal mit all den Rebbergen, Kulturen an Früchten, im Hintergrund die Berge, der schöne Fluß, die schönen Ortschaften, die speziellen Menschen, ist einfach einmalig. Von Visp nach Zermatt nimmt man den offiziellen, spannenden Bikeweg Nr. 150.
Letzten September fuhren wir mit dem Ebike in 8 Tagen rund um das Monterosamassiv. Diese Tour ist wesentlich schwieriger. Also, macht zuerst die einfachere Matterhorntour, bevor ihr euch an die Monterosatour wagt.
Das war unser gemeinsames Abenteuer diesen Sommer. Danke Jan!
Jahrhundertealter Handel über den Theodulpass
Text von alt-Staatsarchivar Hans-Robert Ammann (Sitten, 23.09.2024)
In den vergangenen Jahrhunderten benutzten die Zermatter den schon in der Prähistorie begangenen Theodulpass sehr rege, und zwar um mit den Leuten im Aostatal Handel zu treiben. Besonders seit dem 16. Jahrhundert geben uns schriftliche Quellen diesbezüglich einen recht guten Einblick.
In Zermatt wurde schon im 16. Jahrhundert ausgiebig Schafzucht betrieben. Die überschüssigen Schafe wurden jeweils gegen Mitte September, vor den ersten Schneefällen, ins Aostatal exportiert. Dabei benutzten die Zermatter den Theodulpass (3317 m ü. M.), der streckenweise über den nicht ungefährlichen Theodulgletscher führt. Dieser Export stellte für die Zermatter eine willkommene Einnahmequelle für den Kauf von ihnen fehlenden Waren dar. Auf dem Rückweg brachten sie aus Chambave, am Eingang des Valtournanche, Wein für ihren Eigenbedarf zurück. Dieser mundige „Chambaver“ war damals angeblich leichter und vor allem billiger als der einheimische Wein aus dem Mittelwallis.
Über die Quantität des importierten Aostataler Weins und des ausgeführten Kleinviehs ist uns nur wenig bekannt. Einzig für die Jahre 1564 und 1589 verraten uns die Quellen, dass Zermatter manchmal mit bis zu 20 Pferden den Theodulpass überquerten, um in Chambave Wein einzukaufen. Beluden sie dabei jedes Pferd mit zwei Lageln zu je ca. 40-50 Litern, vermochte ein solcher Saumzug gegen 1600-2000 Liter über den Berg zu transportieren. Im Herbst 1574 erhielten die Leute von Zermatt die Bewilligung, insgesamt 60 Saum (Lasttiere) oder umgerechnet ca. 5000 Liter Aostataler Wein für den eigenen Gebrauch zu holen. Da auch Leute aus den übrigen Dörfern des Nikolaitals zum gleichen Zweck solche Reisen über den Theodul ins Val d’Aosta unternahmen, darf angenommen werden, dass bei guter Ernte jährlich eine sehr beachtliche Menge Chambaver Wein über den Gletscherpass gesäumt wurde.
Dieser Weinimport sollte sich über Jahrhunderte erhalten. Dabei stiessen die Zermatter Säumer bei ihren südlichen Nachbarn bisweilen auch auf Schwierigkeiten, namentlich zu Zeiten der Pest im 16./17. Jahrhundert: Die Aostataler befürchteten, die Walliser würden sie mit der besagten Krankheit anstecken. Deshalb wurden sie von den Aostatalern nicht selten in Quarantäne zurückgehalten und manchmal auch ohne Wein und andere Waren über den Theodulpass zurückgewiesen. Dass die Überquerung dieses Passes nicht ungefährlich war, geht aus dem Sterberegister der Pfarrei Zermatt deutlich hervor: Vom 17. bis 19. Jahrhundert sind die heimtückischen Gletscherspalten nicht wenigen Männern zum Verhängnis geworden.
Erst im 19. Jahrhundert haben die Handelsbeziehungen zwischen dem Matter- und dem Aostatal allmählich nachgelassen. Pfarrer Josef Ruden schreibt 1869, die Ausfuhr von Vieh aus Zermatt ins Aostatal sei bedeutungslos geworden und Waren wie Wein, Reis und Mais würden aus dem Süden keine mehr eingeführt, weil sie dort ebenso teuer seien wie im Wallis. Zudem habe das Vordringen der Gletscher den Transport über den Theodulpass immer schwieriger und gefährlicher gemacht.
Der Bau der Jura-Simplon-Bahn in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die Eröffnung der Visp-Zermatt-Bahn im Jahre 1891 und die Grenzschliessung während des 1. Weltkriegs haben schliesslich diesem jahrhundertealten, inneralpinen Handel den endgültigen Todesstoss versetzt.