René

Heute Morgen versuchten wir in Champoluc noch einmal einen Knopf für meine Hose zu finden. Unmöglich, man muss ins nächste Tal oder in die nächste Stadt. Also fuhren wir ohne Hosenknopf los Richtung Colle Bettaforca. Es hat dort 3 Bahnen. Die erste Sektion ist eine oberirdische Standseilbahn, die zwei weiteren Sektionen Sessellifte die bereits am letzten Sonntag geschlossen wurden. Wir nahmen die Standseilbahn. Sie war kurz und steil, ca. 800m lang und 400m Höhenunterschied. 

 

Colle Bettaforca ist schön, von hier aus sieht man zum ersten Mal das Monterosa Massiv wie mächtig und schön es ist. Auch die Gegend, wunderschön. Alpen, Seen, Pisten, alles schön gepflegt. Hier denkt man, ist der Naturschutz strenger als bei uns. Alle Pisten sind schön planiert und zugewachsen, nirgends sieht man Material, das im Winter benötigt und dann liegengelassen wurde. Schilder, Markierungen, Stangen, Matratzen alles wird schön verräumt zugunsten des Landschaftsbildes, des Sommertourismus und den Einheimischen. Bei uns in Zermatt ist das nicht überall so, dort wird manches vom Winter liegen gelassen zu Ungunsten der Natur, den Einheimischen und des Sommertourismus. Wandert man in Zermatt ein bisschen an abgelegeneren Orte findet man immer wieder Unrat vom Winter.  Plastik Stangen, Matratzen, Eisen usw. - da könnte man schon fast einen Matratzenladen eine Alteisenhandlung oder eine Plastikrecyclinganlage eröffnen und betreiben. Schade.

 

Auch die Dörfer, Staffel, Gressoney  La Trinitè und Gressoney Saint-Jean sind sehr gepflegte Dörfer und die Dorfkerne im schönen Walserstil erhalten. Auch hier leben sie vom Tourismus. Es hat viele Hotels, viele Restaurants und auch edliche Immobilienagenturen. Wir kamen zuoberst im Tal im Dorf Staffel an. Es war Mittagszeit und dann werden die Bergbahnen einfach angehalten und fahren nicht während dieser Zeit. In der Theodulhütte hat man uns während der Mittagszeit des Personals nicht bedient und hier fahren während der Mittagszeit die Bahnen nicht - lustige Italiener (:-

 

Es gibt die Region Aosta, das Tal Aosta und die Stadt Aosta. Gressoney liegt auch im Bezirk Aosta. Morgen gehen wir weiter nach Alagna, dass dann im Piemont liegt. Unterhalb von Alagna liegt die Stadt Biella, wo ich mal per Autostopp von Zermatt aus Golf spielen ging. 

 

In Gressoney sahen wir das erste Mal das Walliser Wappen und dies überall auf vielen Fahnen. Wir haben uns gefreut. Es war aber ein Walliser Wappen mit 10 Sternen. Original haben wir ja 13 Sterne, für jeden Bezirk im Wallis 1 Stern. Später fanden wir dann heraus, warum hier 10 Sterne sind und nicht 13, aber sonst das Wappen identisch ist.

 

Wir gingen auf den Dorfplatz. Er ist wunderschön. Hier steht die Kirche, das Gemeindehaus, das Haus in dem der Gemeindepräsident wohnt, das Haus in dem der Pfarrer wohnt, der Friedhof, das Tourismusbüro, das Walser Museum, ein gutes Hotel und ein Restaurant. Was will man mehr haben auf einem Dorfplatz? Genau so sollte ein Dorfplatz aussehen und so wird er auch zum wertvollen Treffpunkt eines Dorfes. Dörfer ohne richtigen Dorfplatz sind immer unattraktiver als die Dörfer mit einem attraktiven Dorfplatz auf dem die wichtigen Sachen vorhanden sind. 

 

Alles liebevoll geschmückt mit unglaublich vielen Blumen. Generell sind hier die Dörfer sehr gepflegt und überall hat es sehr viele Blumen. Man merkt, man lebt hier vom Tourismus und will sich gut präsentieren und den Gästen was Schönes bieten.

 

Das Museum war geschlossen, und zwei Frauen sassen davor. Per Zufall war es Gabriella Mania. Sie hat ein Buch über Gressoney geschrieben, kennt sich in der Geschichte super aus, und wartete hier auf eine Gruppe die von Alagna herkommt und der sie das Museum zeigen will. Die Gruppe ist noch nicht da und so führt sie uns durchs Museum, auf den Friedhof und erzählt uns fast 2 Stunden lang über die Geschichte von Gressoney und den Walsern. Es war sehr spannend und informativ. Danke Gebriella!

 

Da es unser Wunsch war noch mit jemandem Walserdialekt (Titsch) zu reden, rief sie die Vizegemeindepräsidentin an, weil die das noch könne. Per Zufall stellten Gemeindearbeiter gerade ein aufblasbares Ziel auf dem Dorfplatz auf und einer davon war Dario Rial und sie rief ihm, er solle kurz mit uns «Titsch» reden. Das war cool, wir redeten miteinander und er erzählte uns spannendes.

Die Zucht seiner Eltern waren 11 Muoton und Muotoni (Buben und Mädchen). 2 starben jung, 9 überlebten. Davon waren 4 Skilehrer, er auch. Er nahm immer wieder das Wort «Zucht» in den Mund und meinte damit die Kinder der Eltern. Also die Eltern «züchteten» Kinder dazumal. Sie wollten anständige, arbeitsame, zuverlässige Kinder, die das Leben meistern können und der Familie mithelfen zu überleben. Schade, dass man heute auf solche Werte immer weniger Wert legt. Er sprach davon, man benötigte eine gute Zucht, also starke Kinder, die bei der Arbeit in den Bergen mithelfen konnten usw…. Also Gedanken, die damals normal waren, wollte man hier oben in den Bergen überleben - und Gedanken, die für mich noch heute normal sind, aber für ganz viele nicht mehr, was ich manchmal nicht recht verstehe. Die heutige Gesellschaft, Kinder, Eltern, Lehrer, Politiker sind viel weniger belastbar, als dass man das früher war. Ok., früher konnte man sich das nicht leisten, nicht belastbar zu sein, dann hatte man ein schlechtes Leben und verhungerte oder erfror. Heute so wies aussieht kann man sich das leisten. Aber darum wird alles auch immer schwächer, sensibler und geht allmählich bergab, bis dann aus der Krise wieder starke Menschen hervorkommen und schauen müssen, dass es wieder bergauf geht. Oder man begnügt sich mit weniger materiellen Sachen, weniger Ausbildung, weniger umherreisen, weniger Luxus, weniger Geld usw…. und dann könnte die Rechnung vielleicht wieder aufgehen, das Glück zu finden? 

 

Gabriella zeigte uns noch Bücher und wir wollten wissen warum das Wappen 10 Sterne hat. Es sind die 10 Walser Dörfer die es hier in der Gegend gibt. Um 1970 gründete man diese Vereinigung und dieses Wappen, das man hier nun überall sieht und wo man meint, man sei im Wallis. Wo man noch Walser Dialekt spricht, sei noch hauptsächlich in Issime und eben hier. Dario meinte er sprechen noch jeden Tag Walser Titsch mit seinen Freunden. Die Zucht, also die Kinder reden dies aber nicht mehr. Und in 30-40 Jahren, wenn die jetzt sprechenden gestorben sind, werde hier keiner mehr Walser Titsch reden. Also der Nachwuchs für die Sprache fehlt. Die unter 30-Jährigen lernen es nicht mehr und somit ist es eine Frage der Zeit, bis hier nur noch Italienisch gesprochen wird. Gabriella erzählte noch das auch der Faschismus das Walser Titsch unterdrückte. Man wollte das überall in Italien nur italienisch gesprochen wird. Seit kurzer Zeit gibt es aber pro Jahr ein paar Abendlektionen wo man Walsertitsch lernen kann und auch ein Wörterbuch hat man erstellt.  

Danach fuhren wir nach Gressoney Saint-Jean. Es gibt also 2 Gressoneys, Gressoney La Trinité mit ca. 300 Einwohnern und ein paar Kilometer weiter unten Gressoney Saint-Jean das grösser ist. Wir fuhren dorthin und sahen es an. Viele Plätze, Gebäude, Beschilderungen erinnern an unsere Sprache. Zem See, obru Platz, die Hotels heissen hier Dufour, Monterosa, Pollux usw. Es hat dort auch einen schönen, uralten Friedhof, einen schönen See mit grosser Wiese an dem man sich gerne aufhält und vieles mehr. 

 

Danach fuhren wir zurück nach Gressoney La Trinité in ein gutes Hotel. Wir gingen noch kurz ins Wellness. Whirlpool, Sauna, Dampfbad taten gut und danach gingen wir im Hotel gut essen. Wir hatten so grossen Hunger, dass wir zu viel gegessen haben. Zuerst Vitello mit Polentachips, dann Rindsbraten, dann ein Crêpes mit Fondue, Meringuebiscuit mit Fruchtsalat, Bisquitbecher mit Vanillesauce und Heidelbeeren gefüllt und ganz am Schluss nach dem Essen assen wir noch ein Walliserteller. Dazu 10 grosse Grisinis und viel verschiedenes Brot. Unglaublich das wir das alles schafften. Wir assen nur Sandwich zum Mittag und sind heute 38.4 km auf dem Bike gefahren. 

 

Essen und Trinken tut man hier gut. Richtig italienisch und qualitativ hochstehend. Zum Abendessen bestellen wir immer mehrere diverse Teller und probieren alles, was wir noch nicht kennen. Jan und ich haben dabei Spass und gute Diskussionen über die Kultur und das Essen der Italiener.

 

In Gressoney fanden wir dann endlich ein Geschäft das uns einen Knopf, Faden und eine Nadel verkaufen konnte. Am Abend im Hotel im Bett nähten wir dann den Knopf an die Hose. Heute kann ich ruhig schlafen, denn morgen muss ich beim Biken nicht mehr an meine Hose denken. 

 

Heute sind wir etwas mehr als 38 km gefahren. Rauf auf Colle Bettaforca auf 2700m waren steile Abschnitte dabei, aber die Wege waren heute wie Autobahnen, weil wir alles auf guten, steilen nicht asphaltierten Strassen gefahren sind. Heute Morgen die ersten Kilometer tat uns noch der Arsch weh von gestern, danach gings aber immer besser.

 

In diese Landschaft kann man sich verlieben. Sommer und Winter wird es hier toll sein und dann trifft man noch ab und zu einen Vorfahren an, der unseren Dialekt spricht, die gleiche Kultur pflegt und in denen das gleiche Blut fliesst wie in uns. Hierher werden wir immer wieder kommen!

 


Der Morgen in Champoluc 1560m


Frachey 1623m - Colle Bettaforca 2727m


Colle Betta Forca 2727m - Gressoney 1385m 


Jan

Heute Morgen ging es wie gestern, früh aus den Federn. Die Nacht war kurz, aber gut. Ich habe wie ein Murmeltier geschlafen. Als erstes sind wir das Frühstück essen gegangen. Das Frühstück war sehr speziell, weil es viele verschiedene Kuchen gab, was es in der Schweiz so nicht gibt. Nach dem Frühstück ging es auf die Suche nach einem Knopf für Papas Hosen. Wir waren in vielen Geschäften, waren aber erfolglos. Ach ja, ich habe vergessen das unser Maskottchen «Wallismatti» auch mit auf der Tour ist. Er hilft uns mit der Suche mit. Wir gaben dann das Knopfsuchen auf und gingen noch etwas zum Mittagessen einkaufen. Als wir das erledigt hatten ging es mit dem Velo Richtung Saint Jacques-des-Allemands. Dort nahmen wir ein Funi. Die Standseilbahn hat sehr speziell ausgesehen. Sie hatte eine Glasdecke und nur vier Etagen aber dafür sehr grosse. Die Strecke war kurz aber richtig steil und sie verläuft oberirdisch. Oben angekommen musste Papa noch aufs WC und dann ging es Richtung Pass Colle Bettaforca. Am Anfang ging es einfach aber auch sehr steil den Hang hoch. Auf dem Weg hoch sahen wir noch das Tal, woher wir gestern kamen. Es ist alles sehr interessant und spannend. Weiter oben ging es wieder einfacher und nicht mehr so steil den Berg hoch. Oben angekommen war ich glücklich und ein wenig erschöpft. 

 

Von hier oben sieht man sogar den Mont Blanc, die Zwillinge Pollux und Castor und den Liskam. Ups dazu kommt noch die Dufourspitze. Wir machten auf dem Pass eine kleine Pause. Nach der Pause ging es runter nach Staffal. Die Strasse war ein wenig holprig und rutschig. In der Hälfte haben wir bei der Kapelle Sant Anna das Mittag gegessen. Die Aussicht war fantastisch und schön. Sie war so schön, dass ich es mit Wallismatti geteilt habe und Fotos gemacht habe. Nach dem Mittag ging es weiter Tal abwärts. Unten angekommen wollte Papa noch etwas fragen gehen bei der Kasse der Bahnen. Aber weil es Mittagszeit war, waren alle Kassen und die Bahn  leider geschlossen. Wie es aussieht, nehmen die Italiener die Mittagspause sehr genau und ernst. Also gingen wir ohne Informationen weiter bis ins Dorf Gressoney La Trinitè. 

 

Im Dorf fand man noch richtige Walser Häuser. Das Dorf ist mit alt und neuem gemischt und auch Walliser mit Italienischem Stil gemischt wie gestern. Im Dorf gab es auch ein Walser Museum. Wir gingen natürlich auch das anschauen. Wir haben per Zufall noch eine kostenlose Führung bekommen. Die nette Frau hat uns viel erklärt und gezeigt. Ich konnte alles verstehen, weil sie deutsch sprach. Nach der Führung haben wir noch einen gefunden, der richtiges, altes Walliser Dialekt redete. Ich probierte es zu filmen und aufzunehmen und zum Teil ging es auch. Nach dem Gespräch ging es weiter nach Gressoney-Saint-Jean. Zu dieser Ortschaft ging es nur auf der Strasse hin. Papa suchte immer einen anderen Weg, um nicht auf der Hauptstrasse fahren zu müssen, aber vergebens. Also ging es auf der Hauptstrasse weiter. Als wir im Dorf angekommen sind, machten wir einen Rundgang. Als wir an einem Eis Stand vorbei kamen machten wir einen Stopp und holten uns ein Eis. Es hat sehr gut getan. Nach der frischen Abkühlung ging es noch zu einem See. Der See war wunderschön, dass wir sogar eine längere Pause machten. Wir fuhren auch einmal um den See. Nach der längeren Pause fuhren wir zurück nach Gressoney La Trinitè und fanden dort ein Hotel, das uns passte. 

 

Wir machten eine kurze Pause und gingen nachher noch in die Sauna. Nach der Saune gab es noch ein ausgiebiges Abendessen. Ach ja, noch ein paar Informationen. Eines ist, dass es rund um das Monterosa Massiv ein Laufrennen gibt. Wir wissen nicht, ob es einen, zwei oder drei Tage dauert. Die nächste Information ist, dass es zwischen den Walliser und Walser Häusern Unterschiede gibt. Und noch eine Information ist, dass es in Italien 10 Dörfer gibt wo Wallisertitsch gesprochen wird und die Dörfer im Walliserstil gebaut sind. Und die letzte Information ist, dass hier in diesem Tal die meisten Leute leben die noch Walliser Dialekt reden können.

 


Gressoney la Trinitè 1635m - der Dorfplazt und das Walsermuseum 


Weiter nach Gressoney Saint-Jean 1385m


Am Abend im Hotel Lo Scoiattolo